Die Brennerbande, Teil 48


Wo ließ man in einer Stadt wie Xpoch illegale Wettkämpfe stattfinden, wenn man wollte, dass auch gut situierte Bürger sie sich ansehen und vor allem ihr Geld bei den Wetten verlieren konnten? Ingensumpf und Ingenfeld kamen für solche Dinge nicht in Frage, auch wenn dort genügend illegale Geschäfte stattfanden. In der Altstadt lebten zu viele ehrliche und um ihr Ansehen besorgte Menschen, dass man hier sofort die Bertis auf dem Hals gehabt hätte. Ähnliches galt für Gräberfelder und Galgenberger. Und was Burgdorf nicht an Bertis hatte, hatte es an Feldjägern. Im neuen Hafen war angeblich das Risiko durch die Druiden zu groß, weswegen sich kein guter Bürger dorthin wagte. Aber eigentlich wusste jeder, dass es dort einfach zu sehr stank. Merschpark und Werkstätten wiederum standen auch am Sonntag nicht still. Hier wäre der Werkschutz schnell eingeschritten. Es blieben tatsächlich nur zwei Ortsteile, die sich anboten. Und am Rowenberg gab es genügend alte, nicht mehr genutzte Werkhallen, dass am Ende klar war, wohin sich drei junge Männer wenden mussten, um dabei zuzusehen, wie sich ein paar Erwachsene freiwillig die Mäuler polierten. Die Adresse hatte Malandro von Walmo gekriegt, der sie wiederum von irgendeinem Arbeiter in der Fabrik bekommen hatte.
Wie zu erwarten gewesen war, ließ der Klotz am Eingang die Jugendlichen nicht gleich rein. Dieses Problem behob Malandro großzügig mit ein paar Groschen. Es fühlte sich phantastisch an, so reich zu sein, dass man andere "bestechen" konnte.
Illigale Boxkämpfe waren eine ziemlich dreckige Angelegenheit. Das fing mit dem Raum an, bei dem man sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, den Dreck wegzufegen, ging weiter mit den Anwesenden, die nach kürzester Zeit in der Menschenmenge von Schweiß, Urin und auch Blut stanken. Es endete mit den Bierflaschen, die aus irgendeinem Kohlekeller ausgegraben worden sein mussten. Malandro, Gunnar und Tiscio drängten sich zuerst zum Tresen durch. Der bärtige Mann hinter den aufgestapelten Holzkisten zierte sich nicht einmal, als er Gunnar die Flasche reichte. Er nahm das Geld mit einem grunzen entgegen und deutete auf das Schild hinter sich. "Pfandflaschen zurückgeben!" Gunnar nickte, während sich die beiden anderen bereits wegdrehten. Um zum Ring zu gelangen, mussten sie sich etwas mehr Mühe geben. So bekamen sie längere Zeit nichts außer den Schreien und den Geräuschen der Schläge mit. Auf Geräusche wollte selbst Malandro nicht wetten, dabei brannte ihm das Geld jetzt schon ein Loch in die Tasche.
Sie verbrachten fast den ganzen Nachmittag in der Halle und es war ein großartiger Nachmittag. Tiscio und Gunnar wurden mit Blut bespritzt, Gunnar musste sich bereits nach der ersten Flasche übergeben und Malandro gewann mehr als er verlor. Sie fühlten sich ziemlich männlich, wie sie schließlich gemeinsam die Halle verließen und gemeinsam zurück zur Feldstraße gingen, wo sich ihre Wege schließlich trennten.
Gunnar und Tiscio machten sich auf den Weg zur Schiene, weil sich Malandro in großzügiger Laune befunden, und ihnen die Pfennige für die Fahrt in die Hand gedrückt hatte. Auch ein paar Pfennige konnte man sparen, aber die Aussicht, nicht den ganzen Weg gehen zu müssen, war zu verlockend.
Sie waren erst auf halber Strecke zur Station, als sich hinter ihnen drei Jungs aus dem Schatten lösten. Tiscio erkannte Tolsachs. Von den anderen beiden wusste er die Namen nicht mehr, aber er erkannte sie ebenfalls als Brenner. So gut, wie der Sonntag bisher gewesen war, war doch jetzt klar, dass er kein zu gutes Ende nehmen sollte. Schließlich gab es nicht viel, was drei Brenner mit zwei Feldstraßlern anfangen konnten.
Tiscio zog Gunnar am Arm und beschleunigte seine Schritte. Wie zu erwarten gewesen war, legten die drei hinter ihnen ebenfalls einen Zahn zu. "Das gibt Kloppe," quetschte Tiscio zwischen seinen Zähnen hervor und rannte los. Gunnar zögerte nur einen kurzen Augenblick bevor er seinem Freund folgte. Tiscio wusste, dass der Jüngere nicht gewohnt war, zu rennen. Aber Angst macht Beine und sie hatten einen kleinen Vorsprung. Während sie rannten hatte Tiscio hauptsächlich Angst, dass sein Freund nicht durchhalten könnte. Er verzögerte immer wieder, damit sie gleich auf blieben. Trotzdem kamen sie kurz vor ihren Verfolgern an der Schiene an, was gut und schön war, sie aber nicht vor den Prügeln retten würde, wenn nicht ein Wunder geschah. Denn die großen, eisernen Drehtüren, die die Treppen hinauf zu den Schienen versperrten, mussten mit zwei Pfennig pro Person bezahlt werden. Aber das Geld musste man erst einmal bereit haben, weswegen Gunnar verzweifelt in seinen Taschen zu suchen begann. Mit dem Gitter vor sich und den drei Brennern hinter sich gab es kaum etwas anderes zu tun als sich umzudrehen und wenigstens etwas auszuteilen von dem, was man einstecken würde. Tiscio drehte sich rechtzeitig um, um noch einen Schritt vor Gunnar machen zu können und damit gleichzeitig dem ersten der drei Schläger auszuweichen, der sich hatte auf ihn stürzen wollen. Er landete stattdessen am Gitter und Tiscio empfing den zweiten mit einem Tritt gegen sein Bein, was ihn fürs erste zu Boden brachte. Tolsachs jedoch, der als drittes ankam, bremste rechtzeitig ab und rempelte Tiscio an der Schulter an, so dass er ein wenig aus dem Gleichgewicht geriet. Um sich Raum zu verschaffen stieß Tiscio Tolsachs zurück. Er hatte genug Erfahrung in Straßenschlägereien gesammelt, um nicht darauf zu hoffen, dass er nicht von hinten angegriffen würde. Deswegen duckte er sich und dreht sich zu dem ersten am Gitter um und entging so einem hohen Schwinger, der ihn sonst vermutlich am Ohr getroffen hätte. Tiscio hatte Jahre lang in der Fabrik Eimer voller Kohle und Wasser geschleppt sowie schwere Hebel umgelegt. Jetzt nutzte er seine Stärke um den Schläger um den Bauch zu fassen und ihn mit zwei langen Schritten erneut gegen das Gitter zu drücken. Er ließ ihn los und wandte sich erneut den anderen beiden zu, als er Gunnar rufen hörte. "Habs, schnell." Der kleine verschwand bereits in der Drehtür und die nächste Umdrehung gehörte Tiscio. Außer Atem blieben sie am Fuß der Treppe stehen und blickten sich nach den drei Brennern um. Diese hatten sich inzwischen erhoben. Einen Moment lang starrten sie sich durch das Gitter an. Dann drehten sich die drei ohne ein Wort zu verlieren um, machten aber noch einige unschöne Handbewegungen.

Die Kinder aus der Feldstrasse, 03