Die Brennerbande, Teil 02


Ist es wichtig, dass es der 23. Mai war? Wenn es nach Malandros Meinung ging, hätte es jeder andere Sonntag sein können. Nicht dass er, wie die anderen auch, Sonntage allen anderen Tagen vorzog. Aber was sollte man als fünfzehn jähriger schon an einem solchen Tag tun? Die elenden Kinderspiele hingen ihm zum Hals raus, blieb man zu Hause oder auf der Straße fanden Mütter oder Väter immer etwas zu tun. Verließ man jedoch sein sicheres Revier, so lief man Gefahr, dass einem eine andere Bande auflauerte. Zumindest den Vormittag hatte man jedoch in dieser Hinsicht ruhe, denn es galt der Tempelfriede, den alle Kinder und jugendlichen einhielten. Zu groß war die Angst, von Bertis oder schlimmer noch dem Priestern aufgegriffen zu werden, wenn man sich in dieser Zeit in Feindseligkeiten verstrickte.
Nach dem Besuch im Tempel, nachdem sich die Mitglieder der einzelnen Banden gemustert und aus dem Weg gegangen waren, versammelten sich jene Kinder aus der Feldstraße, die sich als die Feldstraßenbande bezeichneten vor dem Haus in welchem Malandros Familie im zweiten Stock hauste.
Neben Malandro selbst waren dort noch seine beiden besten Freunde Tiscio und Skimir. Sie bildeten das Führungs-Triumvirat dieser kleinen Bande und jede Entscheidung wurde letztendlich von ihnen getroffen. Walmo war der Nächste in der Hackordnung, obwohl er älter war als Skimir. Über ihn war seine achtjährige Schwester Walde in die Bande gekommen, und, da kleine Mädchen ungerne allein sind, hatte sie ihre beste Freundin Alna mitgebracht. Als letzter, wie immer etwas abseits, saß Walter, der selten etwas zu sagen hatte, aber ein guter Ringkämpfer war. Er war der jüngere Bruder Walmos, aber immer noch um fünf Jahre älter als Walde.
Malandro präsidierte über seine Kumpane. Ihm war es als einzigem gelungen eine Lehre bei einem Handwerker zu erhalten, die hatten Arbeit in den Swucks-Werken erhalten, was ihm einen gewissen gesellschaftlichen Vorrang einbrachte.
"Habt ihr die Brenner gesehen?" Skimir, immer ein wenig nervöser als die anderen, brach die Stille. Mit den "Brennern" waren die Mitglieder der Brennerbande gemeint, denen die Feldstraßler vor dem Tempel ausgewichen waren.
"Die wollen doch irgendwas."
Etwas genervt schaltete sich Tiscio ein: "Das sagst du jedes Mal, und ..."
"Weil es stimmt!"
"Natürlich wollen sie was, aber nicht vorm Tempel." Die beiden sahen sich herausfordernd an und Malandro hielt es für an der Zeit, einzuschreiten. Es bedurfte nicht viel, um Tiscio zur Weißglut zu reizen und Kim war zu gut darin, den Ofen zu schüren.
"Genug Leute, es ist Sonntag und wir wollen was tun." Die beiden Streithähne blickten sich noch einmal mit wütenden Augen an, ließen dann aber von eiander ab und würden in den nächsten Minuten bereits wieder die besten Freunde sein.
"Irgendwelche Vorschläge?" Malandro brauchte nicht lange auf eine Antwort zu warten.
"Dachen" "Stecken" "Marquin" "Kloppen"
Alle durcheinander, einer lauter als der andere, keiner am anderen interessiert. Aber eine kleine Stimme erweckte doch aller Aufmerksamkeit: "Können wir zu den Skletten?" Walde sprach und die beiden Kücken, Alna und sie, genossen ein Art Nestschutz in der Bande. Sie wurden immer etwas freundlicher behandelt und oft ernster genommen als die älteren Mitglieder. Trotzdem blickten sie jetzt alle etwas irritiert an, bis Walmos Gesicht aufhellte und er fragte: "Meinst du die großen Skelette? Im Naturkundemuseum? Wo wir mit Mutter mal waren?"
Walde nickte, obwohl ihr die Verwirrung deutlich anzusehen war. Mit "Naturkundemuseum" wußte sie nichts anzufangen, aber sie ging einfach davon aus, dass ihr ältester Bruder sie verstanden hatte. Er war ja so klug. Vielleicht nicht so klug wie Malandro, den die beiden Mädchen als den ältesten und gebildetsten anhimmelten.

Die Kinder aus der Feldstrasse