"Ich hätte da eine Idee."
"Wie wir ihn noch einholen? Da fällt mir nur der Orni ein, Gunnar."
"Nein, Malandro, wie wir den Oravahler ausschalten können."
"Mit einer weiteren großen Explosion?"
"Das wird leider in den nächsten Stunden nicht möglich sein und ich fürchte, wir werden uns ein wenig beeilen müssen", dämpfte Kol Therond Malandros Idee.
"Das meine ich gar nicht. Ich dachte vielmehr, ich könnte einen der Handschuhe an eine Magiebatterie anschließen. So, wie die Entladung im kaputten Orni die Dinger da ausgeschaltet hat, könnte eine Berührung mit dem Handschuh das gleiche machen, wenn da nicht nur ein wenig ambarische Energie durchströmt, sondern viel Magie."
"Aber die Batterie im kaputten Orni ist leer und die andere brauchen wir noch."
"Ich gebe Herrn Sabrecht insofern Recht, dass wir die Batterie in unserem Onrithopter weiterhin benötigen werden, aber wir können sehr wahrscheinlich die entleerte Batterie wieder aufladen, wenn Herr Sabrecht mir helfen würde. Nicht genug, um damit einen Ornithopter zu fliegen. Es sollte jedoch ausreichen, um eine einzige, intensive Entladung zu verursachen."
"Das klingt doch vielversprechend", passte sich Gunnar Kol Theronds Sprechweise an, wofür er eine hochgezogene Augenbraue erntete.
"Was muss ich tun?" fragte Malandro.
"Ich werde es ihnen zeigen", antwortete der Botschafter und führte ihn in Richtung des Ornithopters. Die anderen folgten ihnen, Gunnar, weil er sich dachte, dass die Verkabelung innerhalb des Fluggeräts vermutlich besser zum Leiten der Magie geeignet war, als die dünnen Drähte der Ambarischen Handschuhe. Tiscio und Wintur folgten ihnen, weil sie nicht alleine in der Gegend herumstehen wollten.
"Am einfachsten wär's, wenn wir den Oravahler vom Orni aus mit einem Feuerball abfackeln würden."
"Leider haben wir keinen solchen Zauber mehr, Herr Canil", war Winturs Antwort, wobei er "solchen Zauber" mit so viel xpochscher Verachtung für diese Häresie belegte, wie er nach dem wilden Flug aufbringen konnte.
"Eigentlich ist er auch nur ein armer Wurm", rutsche Tiscio in einem plötzlichen Moment des Mitleids heraus. Sofort musste er sich schütteln, als er an den Wurm in seinem Gehirn dachte. Warum hatte er gerade dieses Wort denken müssen? Die Erinnerung an die Erfahrung der Fremdbestimmtheit würde ihn nie mehr verlassen, wie vermutlich auch seine Freunde, deswegen musste er sich nicht auch noch öfter selbst daran erinnern.
Während Kol Therond Malandro beibrachte, seine Magie ohne einen Zauber fließen zu lassen und sie gemeinsam nach und nach die Batterie befüllten, gewöhnte Gunnar sich an die Arbeit mit den dicken Kabeln des Ornithopters, indem er zwei zerbrach.
"Sie müssen sie in die Batterie hineinleiten. Sie ist nicht vollständig leer. Da ist immer noch ein wenig Magie, die die Speicherfäden zusammenhält. Spüren sie in das Pulsieren hinein ..."
Und so weiter, eine Anweisung nach der anderen, die in Gunnars Ohren immer esoterischer Klangen. Unterbrochen nur von Malandros Stöhnen und Gejammer.
Daher verließ er den Orni, um ein wenig abseits in der prallen Sonne seine Arbeit fortzusetzen.
Am Ende dauerte es nicht lange bis die drei fertig waren.
"Er hat keinen Ausschalter. Und er entlädt alles auf einmal, wenn er richtig funktionieren sollte. Hier Malandro, ist deiner. Aber Vorsicht beim Anziehen. Nicht vorne anfassen."
"Ne, ich nehm‘ das nicht."
"Hast du Bammel?" Anstatt zu antworten, versuchte Mal Tiscio zu greifen, um ihn kräftig durchzuschütteln. Es war jedoch ein halbherziger Versuch und Tis wich mühelos aus.
"Dann nehm ich ihn halt und bin der Held, der den Oravahler erledigt."
Mit einem Grinsen ging er zu Gunnar und ließ sich von ihm in den Handschuh helfen, der jetzt erheblich steifer und unhandlicher war, nachdem der junge Erfinder die dicken Kabel angebracht hatte.
"Kannst du das Gedängel irgendwie", Tiscio deutete fuchtelnd mit seiner Linken auf die Kabelage, "... na, dass es enger anliegt?"
"Geht leider nicht. Die Kabel sind zu steif."
"Mist. Wie soll ich damit denn gegen das Ding kämpfen?"
Gunnar zog die Schultern hoch, während Malandro grinste.
"Können wir wenigstens die Batterie irgendwie festschnallen? So hab' ich beide Hände voll."
"Das kriegen wir hin", sagte Gunnar. Er öffnete seinen kleinen Werkzeugkasten, den er unter seinem Netzwerfer verstaut gehalten hatte. Mit einem Draht und ein wenig Klebeband befestigte er den rötlich glühenden Kasten auf Tiscios Rücken, bis er sicher war, dass es nicht herunterfallen würde. Tiscio wandte sich unter den Strippen, meckerte sogar ein wenig, konnte aber kaum etwas einwenden, weil er es so gewollt hatte.
"Und was getze?"
"Wir rufen den Orni?"
"In der Tat wäre dies eine gute Idee", antwortete der Botschafter zu Tiscios Erleichterung, der bereits gefürchtet hatte, seine neue Waffe den Berg hochschleppen zu müssen.
"Wie holen wir ihn runter?"
Kol Therond drehte sich in Richtung des Ornithopters und winkte dem Piloten, der
ihn nach wenigen Momenten entdeckte und sein Fluggerät landete.
Den Ornithopter zu besteigen hatte inzwischen jeglichen Reiz verloren. Es waren nur noch Stufen in eine enge Kammer, die wenig später zu schwanken begann und irgendwann wieder unsanft auf der Erde aufkam. Für Tisco war es dieses Mal jedoch wieder etwas Neues, da er sich verzweifelt davon abhalten musste, sich mit seiner rechten Hand festzuhalten. Es war irritierend, bis es nervend wurde und schließlich direkt zu einer Qual wurde, die ganze Zeit die Hand in die Luft zu halten, um bloß nicht gegen irgendetwas zu stoßen. Es wurde nicht besser als Malandro ihn als Teekanne bezeichnete und schließlich fragte: "Kannst du auch den Kaktus?"
Es half wenig, dass sie den Oravahler nicht finden konnten. Stattdessen entdeckten sie einen Höhleneingang. Leider befand sich keine auch nur annähernd ebene Fläche in der Nähe, auf der der Ornithopter hätte landen können.
"Da hätten wir gleich laufen können."
"Komm schon, Tis, wir sind mindestens 100 Schritte näher."
"Du Nuttnase." Mal grinste nur.
"Wir helfen dir, wenn du versprichst, uns nicht anzufassen", warf Gunnar ein, womit er die Situation nicht verbesserte.
"Herr Wintur?" wendete sich der [Hügelstätter] an den verwundeten Berti, der keine Anstalten gemacht hatte, seinen Platz zu verlassen.
"Wenn es ihnen nichts ausmacht, werde ich hier sitzen bleiben. Ich bin in meinem Zustand keine Hilfe." Die anderen blickten ihn kurz an, bis der Botschafter nickte und sie den Ornithopter verließen.
Der Weg zu der Höhle war fast genauso schlimm, wie Tiscio es sich vorgestellt hatte, nur noch ein wenig schlimmer, vor allem, weil sie mehr als eine Stunde dafür benötigten.
"Sind wir sicher, dass er da rein ist?"
"Soweit wir aus dem Ornithopter heraus eruieren konnten, befindet sich der ... Oravahler nicht mehr auf dem Berghang und dies scheint die einzige Höhle zu sein, in die er hätte verschwinden können. Ja, ich denke, wir sollten dort hineingehen."
"Hat irgendwer eine Laterne dabei?" Es war ein letzter, schwacher Versuch, den Marsch in ein weiteres Untergrundabenteuer zu verhindern. Die letzten waren nicht besonders erfolgreich oder angenehm gewesen.
Zur Antwort öffnete Kol Therond seine Hand und ließ eine Kugel aus Licht erscheinen. In dem Maße, wie ihr Anblick sie blendete, waren sie sich sicher, dass sie ausreichen würde, um ihren Weg auszuleuchten.
Leider zeigte ihnen das Licht nach vielleicht fünfzig Schritten auch die blutig zugerichtete Leiche eines kleinen Humanoiden.
"Ein Gnom", stellte der Botschafter gelassen fest. "Ich frage mich, wie der hierhergekommen ist."
"Gnom? Wie in Garten?"
Der [Hügelstätter] stutzte für einen Moment, bis er begriff, was der Xpochler meinte. In seiner Heimat hatte man sich nie die Mühe gemacht, eine ganze Rasse ins Lächerliche zu ziehen und als Tonfiguren in den Garten zu stellen.
"Nein. Ich kann nicht glauben, dass ich dies erklären muss, aber Gnome sind ein Volk ähnlich den Zwergen, nur, dass sie, nun ja, einen eigenartigen Sinn für Humor haben und", ein süffisantes Lächeln zog für einen Augenblick über seine Lippen, "eine große Nase."
So ungerne die Feldstraßler auch den zerstörten, blutigen Körper ansahen, die Nase fiel tatsächlich ins Auge. Warum der [Hügelstätter] jedoch den Gnom gerade mit einem Zwerg verglich, war ihnen nicht einsichtig. Die Gestalt war schlanker und schien auch sonst kleiner zu sein als all die Zwerge, die sie bisher gesehen hatten. Deutlicher noch war jedoch der Unterschied im Gesicht, welches nicht nur von der gewaltigen Nase verziert wurde, sondern dem auch noch der stattliche Bart fehlte.
"Warum sollten sie nicht hier sein?" fragte Gunnar, der tatsächlich schon über Gnome gelesen hatte. "So, wie ich es verstehe, gibt es Zwerge in den entferntesten Kolonien des Reiches. Warum sollten nicht auch Gnome woanders leben als in Gnemiar."
"In Gnemiar leben Gnome? Ich dachte, dass wären Menschen. Das sind Menschen da, nicht Tis?"
"Was weiß ich?"
"Herr van der Linden, es lag mir fern, eine philosophische Diskussion zu entfachen. Ich war schlicht von dem Umstand überrascht, in einem Gebirge in der Wüste Gnome zu finden."
"Aber wir sind richtig hier", stieß Tis aus zusammengekniffenen Zähnen hervor, wozu die anderen nickten.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzten sie ihren Weg fort. Wenig später entdeckten sie zwei weitere tote Gnome, ähnlich schlimm entstellt. Sie sagten nichts, betrachteten aber im Vorbeigehen die Waffen aus Stein und Knochen, die simple, aber saubere Kleidung und das handwerkliche Können, dass in diese Arbeiten und den Schmuck, den sie trugen, geflossen war.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt begannen sie auch das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.